Die Weihnachtstage sind für mich meist die Zeit, über die zurückliegenden (Hör-)Monate des Jahres nachzudenken. Diesmal möchte ich euch fünf Produktionen präsentieren, die mir persönlich am besten gefallen, mich am meisten bewegt und/oder die ich durch die Produktionsentscheidung und/oder Umsetzung extrem stark fand.
Vorweg drei Dinge:
1) Es ist eine persönliche und somit subjektive Wertung. Die Liste erhebt mit keinem Buchstaben Anspruch auf „Allgemeingültigkeit“. Mir ist auch klar, dass ich mich mit den Titeln gewiss ziemlich weit abseits des Mainstream befinde.
2) Die Liste bedeutet nicht, dass ich sämtliche anderen Produktionen dieses Jahres abgrundtief verabscheue, alles andere hasse und somit passiv schlechtreden muss (ist alles schon per PN passiert, von daher erwähne ich es lieber explizit vorab). Es gibt Tonnen sehr guter Produktionen, die hier nicht aufgeführt sind – das Hörspiel ist und bleibt ein wunderbares Medium für Geschichten, für ernste, amüsante, spannende, gruselige, romantische, packende, futuristische, geschichtliche, fantastische Stoffe.
3) Ich kann natürlich nicht alles hören. Und in der Tat ist durch meine selbstständige Tätigkeit die Zeit, die ich zum Hören neuer Produktionen aufbringen kann, nicht mehr sonderlich üppig. Deshalb kann ich beispielsweise auch „Monster 1983, Staffel 3“ nicht beurteilen, weil ich es schlicht und einfach nicht gehört habe. Es kann also sein, dass sich die Liste anders darstellte, hätte ich noch diese oder jene Produktion gehört. Habe ich allerdings nicht, daher ist diese Liste stellvertretend für die von mir gehörten Produktionen. Und, siehe Punkt 1), ganz persönlich.
Nun zu meinen Top5 der gehörten Hörspiele 2017.
(Ohne Platzierung/Wertung/Abstufung)
GRUSELKABINETT (129): MANOR
(› Titania Medien)
Eine Geschichte, die in ihren Grundzügen kaum besser das repräsentieren könnte, wofür Titanias Gruselkabinett steht: Schauerromantik. Extrem atmosphärisch umgesetzt und herzzerreissend gut gespielt, mit einer Spielzeit von knapp 47 Minuten ein deutliches Statement zudem gegen den Irrglauben, dass die Qualität eines Hörspiels nur ab 70 Minuten aufwärts beginnt.
Dass zudem aber selbst heute, besser: gerade heute, im Jahre 2018, nach wie vor Empörungs- und regelrechte Hasspamphlete ob der Beziehung der schwulen Hauptcharaktere als „ist halt meine Meinung!!!!!!!!!!!“-‘Rezensionen’ verfasst werden, zeigt auch, wie wenig sich seit Karl Heinrich Ulrichs’ Zeit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts getan hat und wie (leider immer noch) wichtig solche Produktionen auch im gesellschaftlichen Bereich sind.
MINDNAPPING (29): HARMONIAC
(› Audionarchie)
Leicht hat es mir die Audionarchie dieses Jahr nicht gemacht und bis zuletzt haben sich Dennis Hendricks „Es ist Zeit“ und Markus Duscheks „Harmoniac“ um den ‘Titel’ gestritten – es wurde dann aber „harmonisch“ gelöst (*abgedämpfte Hintergrundgeräusche* Aber natürlich, Folge 29, wenn es dir lieber ist, dann geh du doch bitte vor. *abgedämpfte Hintergrundgeräusche aus* -> ergibt Sinn, wenn man die Folge kennt^^).
Kurz gesagt: Wenn ich bereits nach wenigen Minuten bei einem Thrillerhörspiel die Kinnlade ob eines *riesigen* WtF-just-happened-Moments wieder aufsammeln muss, dann ist da etwas *richtig* richtig gemacht worden – und nicht nur von Seiten des Autoren, auch von der Produktion fand ich „Harmoniac“ einfach nur stark (und wie gesagt: *Ganz* dicht gefolgt von Folge 26, „Es ist Zeit“).
MACBETH: EIN EPOS
(› Audible)
Ein Epos ist es in der Tat geworden. Mit knapp über acht Stunden Spielzeit bekam ich hier eine zeitgemäße Inszenierung des Klassikers, der mit starken Sprecherleistungen und wortwörtlich bombastischer Sounduntermalung zeigt, dass die politischen Intrigen und seelischen Abgründe in Shakespeares Geschichte auch nach über vier Jahrhunderten immer noch packend und dramatisch, Themen wie Machtstreben, Machtmissbrauch und -erhalt (leider) zeitlos und nach wie vor relevant sind – und auch für ein Publikum abseits der Bretter, die die Welt bedeuten, funktionieren können.
H.G. WELLS: DAS IMPERIUM DER AMEISEN
(› Folgenreich / › IMAGA)
Oliver Döring inszeniert (s)eine „entstaubte“ Version der Wells’schen Kurzgeschichte zeitgemäß als packenden Öko-Thriller, der schon mit der Eingangsszene punktet, welche die Krux mit der Exposition dadurch umgeht, dass man als Hörer*in erst mal direkt ins Geschehen geworfen wird, ohne Anhaltspunkt, doch heftigst dramatisch.
Ein „Blockbuster für die Ohren“, der neben einer superben Inszenierung aber auch ökologische Themen aufgreift und somit neben der reinen Unterhaltung auch vielleicht den einen oder anderen Gedanken anstößt, das kann sehr gern öfters passieren.
WILLIAM SHAKESPEARE: EIN SOMMERNACHTSTRAUM
(› blubb. Hörspiele)
Shakespeare, die Zweite: Neben Audibles düster inszenierter Adapation der Tragödie um den schottischen König, gibt es für Freunde der Komödien des englischen Dramatikers und Lyrikers ebenfalls eine lohnenswerte Hörspieladaption: Das Freie-Szene-Projekt blubb. hörspiele hat „Ein Sommernachtstraum“ umgesetzt – und zwar in der Originalübersetzung von August Wilhelm von Schlegel von 1798. Das allein finde ich persönlich schon sehr stark. Dass dann auch noch ein derart amüsantes (und ich meine es nicht im Sinne von „platt-humorig“, sondern der Vorlage gerecht werdendes), teilweise exzentrisches, rundum liebevoll inszeniertes Hörspiel geworden ist, welches die Faszination Shakespeare auch im Komödiantischen zu vermitteln vermag, das ist mir -um Facebookjargon zu bemühen- zwei Daumen nach oben wert.