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2. SCHREIB MICH AB –
Der Pro­duk­tions­pro­zess (Forts.)

RD: Die Laufzeit von knapp 20 Minuten pro Episode ist vergleichsweise kurz, insbesondere wenn man sie mit Lauflängen herkömmlicher Produktionen der letzten Jahre, bzw. Jahrzehnte vergleicht, die teilweise Spielfilmlänge haben (dadurch aber nicht zwingend besser wurden). Spontan fällt mir eigentlich nur Universals „Und auf Erden Stille“ ein, wo in beiden Hörspiel-Staffeln die jeweiligen Episoden auch eine Laufzeit zwischen 20 und maximal 28 Minuten haben. Hast du oder habt ihr hier ganz bewusst auf die Seh- und Hörgewohnheiten der jüngeren Hörer*innen gesetzt oder kam das ganz automatisch im Schreibprozess?  

MR: Unsere letzten Folgen sind ja alle eher um die 25 Minuten. Dabei haben wir ursprünglich mit funk und dem rbb 15 Minuten-Folgen angedacht. Die Komplexität der Story trieb sie jetzt aber doch in die Länge – zur Freude unserer Zuhörer. Warum die Folgen dennoch im Vergleich zu anderen Produktionen kurz sind? Es ist ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren: Keine mir bekannte Produktion im Hörspielbereich released in diesem Rhythmus und bleibt dabei so aktuell. Sprich: Wenn ich alle 2 Wochen eine Folge rausbringen möchte, die nicht vorproduziert ist, sondern basierend auf den Entscheidungen der Zuhörer geskriptet wird, kann sie nur eine bestimmte Länge haben. Sonst wird die Masse an Takes zu viel, die Sprecher nicht buchbar, der Verwaltungsaufwand zu komplex und das Endprodukt schlicht zu lang um es sorgfältig zu mixen und zu mastern. Wir sprechen ja hier von 9 Werktagen, in denen eine Episode entsteht von Skript, über Aufnahmen bis zum fertigen Mix. 

Das ist der eine limitierende Faktor. Ein anderer, dass in den 9 Tagen parallel zum Audio auch ein 25-minütiges Video produziert wird mit Schauspielern, um das Ganze für Social Media zu bebildern. 

Letztendlich denke ich aber auch, dass die Folgen nicht länger sein dürften. Wir richten uns an eine junge Zielgruppe; Schüler:innen, die SMA auf dem Weg nach Hause hören oder nach den Hausaufgaben, um kurz abzuschalten. Hörspiele haben etwas mit Ruhe zu tun. Man muss sich auf sie einlassen und die Zeit dafür haben. Zu lang, zu komplex, zu verworren würde gar nicht in den eh schon sehr hektischen Alltag unserer jungen Zuhörer:innen passen. Ab einer gewissen Länge wird es ein „Hör ich später, wenn ich Zeit hab“ – und wir wissen alle, dass wir diese Art Content meist erst Wochen später wiederentdecken und dann erst konsumieren – wenn überhaupt. Das wäre nicht förderlich für eine Serie.

Hier tut uns aber auch die Geschichte und das Format einen Gefallen, denn es wurde ja mit Absicht genau dafür konzeptioniert: Dass ein:e Sprecher:in die Hauptrolle im Studio aufnimmt und aus der Homeschooling-Situation zu Hause übers Handy (…) nach außen kommuniziert. All diese Snippets lassen sich natürlich hervorragend x-en.

RD: Ihr habt bei den Aufnahmen ge-x-t¹, nehme ich an?

MR: 100% – Da aber auch unsere Main-Sprecher aus dem Synchronbereich kommen, war das gar keine Frage. Dort steht ja schon lang keiner mehr gemeinsam vorm Mikrofon, sondern jeder nimmt schön nacheinander all seine Takes auf und im Schnitt entsteht ein rundes Gesamtwerk.

Hier tut uns aber auch die Geschichte und das Format einen Gefallen, denn es wurde ja mit Absicht genau dafür konzeptioniert: Dass ein:e Sprecher:in die Hauptrolle im Studio aufnimmt und aus der Homeschooling-Situation zu Hause übers Handy via Sprachnachrichten, SMS, WhatsApp-Nachrichten nach außen kommuniziert. All diese Snippets lassen sich natürlich hervorragend x-en. Kommt es dann doch zu Telefonaten oder direkten Austäuschen, machen wir es wie beim Synchron. Dass das Ganze so gut und einwandfrei klingt und funktioniert, verdanken wir unseren talentierten Sprecher:innen und natürlich Christian Zeiger, unserem Regisseur, der besonderes Augenmerk auf die Anschlüsse hat, sodass alle Dialoge möglichst organisch klingen.


¹ x-en bedeutet, dass die Sprecher:innen ihre Texte nicht zusammen mit den anderen Sprecher:innen gemeinsam am Mikro spielen, sondern ihre Dialoganteile allein einsprechen.

RD: In welchem oder welchen Tonstudios habt ihr aufgenommen?

MR: Es ist wild! Unser Hauptaufnahmestudio ist direkt bei uns in den darkviktory studios in Potsdam. Das heißt, alles, was ihr glasklar hört, nehmen wir bei uns auf. Sprachnachrichten hingegen? Direkt ins Handy. Jemand steht vor der Tür und brüllt? Dann brauch ich die Person nicht im Studio. Kommt eh ein Effekt rauf, der’s dumpf klingen lässt. Also reicht mir die Voice Memo-App vom iPhone. Discord-Call? Kann von zu Hause am PC über Discord aufgenommen werden.

Wir leben in einer Welt, in der die Technik in unseren Wohnzimmern oder sogar Hosentaschen wahre Wunder vollbringen kann. Genau das habe ich mir bei der Entwicklung von SCHREIB MICH AB zu Nutzen gemacht.  Es ist einfach in bestimmten Situationen effektiver, etwas von zu Hause oder unterwegs ins Handy sprechen zu lassen, statt die Sprecher:in ‘ne Stunde bis ins Studio fahren zu lassen, kristallklar aufzunehmen, nur um dann in der Post² alles wieder so zu zermatschen, dass es klingt, wie ‘ne Ansage aufm Anrufbeantworter.


² Post / Post Production: Der Arbeitsprozess nach den Aufnahmen, in dem aus den Rohaufnahmen nach und nach das fertige Hörspiel inklusive Effekten und Musiken entsteht. Hier wird auch dafür gesorgt, dass die einzeln eingesprochenen Texte der Sprecher:innen zum Dialog werden – und: Die Sprachaufnahmen werden hier auch mit Raum- und Verzerrungseffekten versehen.

Ich glaube, was SCHREIB MICH AB sehr gut zeigt: Es gibt einen Bedarf an fiktionalen Formaten – auch in der jüngeren Zielgruppe – man muss nur den richtigen Vibe treffen.

RD: Wie wirkt sich die Ausspielung über die unterschiedlichen Plattformen, von den öffentlich-rechtlichen Seiten bis zu den bekannten Streamingdiensten, auf die Verbreitung aus? Lässt sich ggf. schon absehen, ob es vielleicht noch weitere Hörspiel-Umsetzungen in dieser Art geben kann?

MR: Aktuell sind wir alle mega happy mit dem riesigen Zuspruch, den SCHREIB MICH AB bekommt. Alle uns selbst gesetzten Ziele, haben wir erreicht und sind direkt auf Platz 2 der Top-Podcasts im Bereich Fiction gelandet.

Das ist schon mal ein starkes Stück! Auch, weil SMA eine gänzlich neue und junge Zielgruppe anspricht und nicht mehr die, die ich über #TubeClash damals noch erreicht habe. Ich glaube, was SCHREIB MICH AB sehr gut zeigt: Es gibt einen Bedarf an fiktionalen Formaten – auch in der jüngeren Zielgruppe – man muss nur den richtigen Vibe treffen. Das machen wir zum Beispiel über Musik – 24|7sound hat wie schon bei #TubeClash oder BROADCAST MY ASS den Score für SCHREIB MICH AB komponiert – und dazwischen mixen wir Musik von Künstlern, die denselben Schmerz und Thrill, die gleiche Spannung und ein ähnliches Unbehagen kreieren wie auch unsere Geschichte. Mich würde wundern, wenn es nach dem Erfolg von SCHREIB MICH AB nichts Ähnliches danach geben würde.

RD: Da du damals auch von ganz „unten“ aus als Autodidakt angefangen hast: Was würdest du jungen Künstler*innen empfehlen, die entweder in den Bereich Animation oder, um beim Hörspiel zu bleiben, auch in dieser Richtung etwas unternehmen möchten, als Autor:innen oder Sprecher:innen?

MR: Ich hab auf meinem Weg so viele, junge talentierte Künstler:innen kommen, gehen, aber auch bleiben sehen. Und im Endeffekt habe ich eines gelernt: Alle Ideen, jeder Traum, jedes Talent nützen nichts, wenn der nötige Mut und die Selbstdisziplin für die Umsetzung fehlt. Fingerspitzengefühl für das richtige Timing spielt natürlich auch eine Rolle, aber Mut und Selbstdisziplin sind der Schlüssel. Nur wer den langen Atem hat, schafft es, sein Skill-Level autodidaktisch immer höher zu schrauben, ohne hinzuschmeißen, und sich sein Leben lang weiterzuentwickeln. Nur der Mensch findet auch den Mut, etwas neu zu überdenken, in das er sich verrannt hat. Nur die Person, die weiß, wofür sie kämpft, wird sich langfristig durchsetzen.