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3. Rückschau & Ausblick: 
SMA und weiter.

RD: Stand heute (19.07.2022) sind sieben Episoden veröffentlicht – wie ist das Feedback seitens Kolleg:innen und/oder Hörer:innen bislang? Und natürlich: Wie findet’s Kostas?

MR:Das Feedback ist überwältigend. 4,9 Sterne auf Spotify bei über 2k Bewertungen nach den ersten paar Folgen. Ich habe noch nie etwas im Bereich Podcast oder Hörspiel gemacht und daher wusste ich überhaupt nicht, was wir erwarten können. Darum freut es mich umso mehr, dass SMA so vielen Leuten gefällt. Neben den Zuhörern haben wir auch viel Lob aus der Branche bekommen, was mich auch darin bestärkt hat, auf einem guten Weg mit dem Projekt zu sein. Ich hab mich aber auch sorgfältig vorbereitet, meine Dramaturgie-Bücher gepaukt und mir alles an Lektüre einverleibt, was ich zum Thema radio play/Hörspiel und Podcast finden konnte. Schließlich unterscheidet sich auditives Storytelling schon ziemlich von dem einer animierten Webserie, wo man viel mehr mit visuellen Gags und Überzeichnungen arbeiten kann. Trotz einiger Anfängerfehler, glaube ich aber, ich fuchs mich da ganz gut rein.

Kostas, mein Boyfriend, feiert das Projekt und spricht ja selbst eine Rolle, nämlich Sandro, den geheimen Schwarm aus Grundschulzeiten von Henry, unserem Main. Ich freue mich ungemein, dass er bisher in jedem meiner Projekte – #TubeClash, BROADCAST MY ASS und SCHREIB MICH AB – eine wichtige Rolle gespielt hat. Meine Kunst reflektiert immer mein Leben und da gehört er einfach dazu.

Kann ich, dadurch, dass ich einer fiktiven Person durch diese Phase helfen kann, meine eigene Ohnmacht aufarbeiten und Szenarien in diesem Hörspiel durchspielen, zu denen ich vielleicht nicht den Mut hatte?

RD: Weißt du, ob die Episoden neben dem spannenden Unterhaltungswert auch schon zu Diskussionen oder einer Sensibilisierung gegenüber den Themen Cyberbullying, Datensicherheit und Digital-/Medienkompetenz oder Queerfeindlichkeit* geführt haben? Ob du/ihr ggf. damit schon Betroffene erreicht habt? 
*) Ich verzichte auf den Begriff „Homophobie“, weil er das feindselige Handeln imho zu Unrecht entkräftet – es ist keine Angst, es ist Feindlichkeit, die im Alltag natürlich nicht bei uns aufhört, sondern auch alle anderen nicht-heteronormativ lebenden Personengruppen einschließt.

MR: Da das Format ja einen regen Austausch vorsieht, haben wir eine unglaublich hohe Partizipation auf Instagram. Unsere Community teilt sehr viele persönliche Geschichten mit uns, was auch ein bisschen der Gedanke bei der Entwicklung war: Kann ich, dadurch, dass ich einer fiktiven Person durch diese Phase helfen kann, meine eigene Ohnmacht aufarbeiten und Szenarien in diesem Hörspiel durchspielen, zu denen ich vielleicht nicht den Mut hatte?

Im Endeffekt ist es das, was interaktive Geschichten besonders macht: Die Zuhörer schreiben sich selbst in die Story. Viele Vorkommnisse haben die Leute nicht nur gevotet, sondern sind inspiriert von tatsächlichen Geschichten, die Betroffene aus der Community mit uns geteilt haben – wie zum Beispiel die Story, als eine Person weinend auf dem Klo erwischt wird und statt Hilfe und Verständnis, Spott der ganzen Klasse kassiert. Das sind herzzerreißende Erlebnisse, die tatsächlich passieren. Und darum ist es wichtig, darüber zu sprechen. SMA und der zugehörige Instagram Account schreibmichab.podcast sind ein Safe Space, auf dem sich Menschen mit ähnlichen Erfahrungen sicher fühlen können und auch in Form von zum Beispiel Infografiken und blogartigen Beiträgen Wissen, Mut und Inspiration ziehen können.

RD: Was wünscht du dir für die verbleibenden Episoden und das Projekt?

MR: Ich hoffe, dass sich alles gut auflösen lässt. Das hoffe ich wirklich haha. Denn im Endeffekt wissen wir erst, ob dieses Experiment geglückt ist, wenn wir erfolgreich alle Stränge zusammenführen und zu einem zufriedenstellenden Ende bringen können. Das macht mir Angst, denn selbst erfahrene Storyteller schaffen das nicht immer. Man braucht ja nur mal ins Kino gehen… oder Pretty Little Liars gucken. Jetzt stell dir vor, du musst das mit einer Story machen, die komplett auf Wünschen, Votes und Vorschlägen der Community beruht haha. Das scheint fast unmöglich. Aber ich bin zuversichtlich. Das Staffelhalbfinale, in dem wir den ersten Main-Arc erfolgreich und zur Zufriedenheit der meisten Hörer aufgelöst haben, stimmt mich zuversichtlich.

Und trotzdem hab ich Schiss – denn ich habe absolut KEINE AHNUNG, wer Leviathan wirklich ist. Aktuell hab ich alles so gecraftet, dass wirklich jeder der Schurke sein könnte. Im Endeffekt entscheidet das Publikum und meine Aufgabe ist es, das ganze so spannend zu verpacken, dass niemand weiß, was kommt.

Hörspiel hat und hatte schon immer einen besonderen Platz in meinem Herzen und ich bin sehr verwundert über mich selbst, dass ich erst jetzt eines gemacht habe.

RD: Abseits von funk und rbb, sondern ganz allgemein und nicht mit Frage II.9 vergleichbar: Kannst du dir vorstellen, weitere Hörspiele umzusetzen? Egal ob kommerzielle Projekte, Radioproduktionen oder freie Szene.

MR: Auf jeden Fall. Ich bin ja, wie gesagt, in erster Linie Geschichtenerzähler und jedes Medium bietet seinen ganz eigenen Reiz. Hörspiel hat und hatte schon immer einen besonderen Platz in meinem Herzen und ich bin sehr verwundert über mich selbst, dass ich erst jetzt eines gemacht habe. Aber auch hier wieder – das Timing. Vielleicht brauchte es den Podcast- und Audioboom der letzten Jahre, um diese alte Liebe wiederzuentdecken und zu schauen, was ich mit all dem, was ich bisher gelernt habe, für den Hörspielmarkt neues kreieren kann.

RD: Welche oder welches Projekt wird es von dir als nächstes zu sehen, lesen oder hören geben?

MR: Wenn wir von Großprojekten sprechen: Einen Roman von mir und Kostas über zwei Jungs die sich verlieben. Und um Sextoys. Es wird auch um Sextoys gehen.

Von mir allein? Eine neue Animationsserie. Very gay. Very historic. Aber auch very funny :D

Ich bedanke mich bei Mik auch hier nochmals sowohl für die Beantwortung dieser Menge an Fragen, aber auch für die umfassenden und offenen Einblicke.
Ronny Dohmen, 21.07.2022

Copyright(s)

Titelfoto Marik Roeder / Marik Roeder / CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons