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Du bist hier: Startseite » News » Das Kreuz mit den „sozialen“ Medien: Die bpb zum Geschäftsmodell der Konzerne

Während in Foren der überwiegende Teil an Diskussionen um „Drei-Fragezeichen-Klassiker-Zitateraten“, „TKKG-Klassiker-Zitateraten“, Memberberry-Productions und „früher war alles besser“ kreist (bevor die Gemüter wieder erhitzen: Ist absolut ok, denn solange es Menschen gibt, die das mögen, hat es natürlich seine Berechtigung – nur für mich persönlich ist es nichts mehr), fast durchweg mit meiner Altersklasse und aufwärts, müsste mensch für Austausch insbesondere mit U45 oder U40 wohl tatsächlich in die „sozialen“ Medien.

Einen der zahlreichen Gründe, weshalb ich davon absehe, bei den Konzern-Plattformen wie Instagram, TikTok, Facebook, YouTube oder X einen Account zu erstellen (im Falle von Facebook wäre es ein Rückfall nach vielen Jahren, den ich mir tunlichst verkneifen werde), thematisierte die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) kürzlich.

Das Geschäftsmodell von Social-Media-Unternehmen

Über die zahlreichen Datenschutzskandale eines großen Unternehmens mit vier Buchstaben muss wohl kaum diskutiert werden. Doch auch abseits wirklich erschreckender „Zwischenfälle“ wie Cambridge Analytica ist das alltägliche Abschnorcheln von privaten Daten in diesem Hause Geschäftsmodell: 

1) Personalisierte Werbung und/oder
2) Datenhandel

Während die Schnüffelei zu 1) schon zumindest „nervig“ ist, ist 2), der Datenhandel, richtig ekelhaft:

»Daneben schließt das Geschäftsmodell anbieterseitig eine Kommodifizierung, also ökonomische Nutzbarmachung ebendieser Aktivitäten ein, die vorrangig darauf basiert, dass die Aufmerksamkeit, die Nutzer*innen auf (die häufig nutzerseitig selbst-generierten) Inhalte der Plattform verwenden, an werbetreibende Unternehmen und Organisation vermarktet wird. Diese Vermarktung steht in enger Verbindung mit der kontinuierlichen Sammlung, Analyse und dem Handel mit Daten, die durch die Interaktion und geteilten Informationen auf Plattformen entstehen«1).

Ein kannibalistisches System also, das seine Nutzer*innen (datentechnisch) aussaugt und ihnen die verdauten Datenergebnisse in Form von Inhalten (Werbung u.a.) von parasitären Drittanbietern, die oftmals Scam anbieten, zurück in den Rachen zwängt. Oder, weniger grafisch: In den Newsfeed.

Ein perpetuum mobile also, das allerdings nicht an nachhaltige Energiegewinnung oder -weitergabe erinnert, sondern vielmehr an eine Online-Umsetzung des Human Centipede.

Fediverse ’ne Chance geben?

Das einzige und tatsächlich soziale Netzwerk, das für mich in Betracht kommt, ist das Fediverse.

Mastodon werden die meisten sicherlich als „Twitter-Alternative“ vor knapp zwei Jahren das erste Mal gelesen haben. Allerdings ist dieser Mikro-Bloggingdienst nur einer von vielen Diensten, die das Fediverse bietet.

Eine freie(!) Foto-App in Anlehnung an Instagram, allerdings ohne Werbung und Algorithmen-Zwangsfütterung ist beispielsweise PixelFed.

Eine freie Video-Streamingplattform ist PeerTube.

Und ein dezentrales soziales Netzwerk in der Art eines kleinen blauen f ist friendica.

Also allet schick im Fedi?

Es gibt zwei Punkte, die sich nach Jahren konzernbasierter „sozialer“ Medien für viele sicherlich schwierig gestalten können:

1) Reichweite ist Arbeit.

Da im Fediverse kein Algorithmus Dinge pusht, die viel Traction erzeugen – eines der Hauptprobleme der Konzern-Konstrukte: Hass bringt viel Interaktion und Wut verbreitet sich ungleich stärker als friedliche Diskussionen2/3/4/5/6/7) –, ist es aufwendiger, Inhalte wirklich relevant zu machen. Das einfache Posten von Links zu Low hanging frutis oder Stunts wie Warum DU ‚Die drei ???‘ immer falsch gehört hast“ (am besten bei YouTube, Instagram oder TikTok, also bloß nicht nativ auf der Plattform) hauen da nicht wirklich rein. Das Fediverse setzt auf das, was die konzernbasierten Konstrukte leider fast verloren haben: Menschliche Interaktionen. Einfach „reinkommen“ und „Inhalte (am „besten“ nur Links) hinkotzen“ reicht nicht. Und die Leute dort spüren lassen, dass sie eh nur Zweiverwertungsmasse zum Klicken sind, respektive: Keine Interaktion mit ihnen bemühen, ist leider auch ein Fehler, den selbst bekannte Autor*innen und Comedians schon „geschafft“ haben.

Es muss also tatsächlich viel Mühe in die Inhalte UND die Interaktion mit anderen gesteckt werden. Was ursprünglich ja der Sinn „sozialer“ Medien war – bis der Hass- und „Kontroversen“-Automatismus es leicht machte, Reichweite zu generieren. 

2) „Cold Turkey“ beim Dopamin

Während in den Konzern-Konstrukten der Dopaminspiegel konstant hochgehalten wird (davon leben die Plattformen: Je „higher“ die nutzende Person ist, desto länger bleibt sie auf der App), ist die „Like“- und „Teilen“-Frequenz im Fediverse ungleich geringer. Was nicht heißt, dass sich die Inhalte nicht verbreiten.

Und das Fediverse ist, zumindest das, was ich bei Verlagen, Autor*innen etc. mitbekommen habe, sehr allergisch gegen plumpe Werbung und „das ist nur mein sekundärer Content Dump“. Das mag manche*n abschrecken, doch verkehrt ist es imho nicht. 

Quo vadis?

Wie geschrieben: Ich überlege, die hergehoert.de via Activity Pub eventuell mit dem Fediverse zu koppeln, so dass die Beiträge etc. auch direkt von dort aus kommentiert werden können, ohne den Umweg über Crosspostings zu gehen oder ein eigenes Forum aufzubauen. Nur: Sicher bin ich mir nicht, da das Durchschnittsalter im Fedi in etwa dem entspricht, das auch in den Hörspielforen zu finden ist – und eigentlich würde ich echt auch gern mal über andere Dinge als die eingangs erwähnten Themen wie „Drei-Fragezeichen-Klassiker-Zitateraten“, „TKKG-Klassiker-Zitateraten“, Memberberry-Productions und „früher war alles besser“ unterhalten. Schwierig.

Gut, schauen wir mal. Muss ja nicht übers Knie gebrochen werden.

 


 

Quellen:

1) bpb – Bundeszentrale für politische Bildung:
»Das Geschäftsmodell von Social-Media-Unternehmen« 

2) Harvard University / Harvard Law School:
»The algorithm has primacy over media … over each of us, and it controls what we do«

3) Washington Post via Nieman Lab / Harvard Law School – Nieman Foundation:
»More internal documents show how Facebook’s algorithm prioritized anger and posts that triggered it«

4) AlterNet:
»How Facebook’s algorithms promote hate and drive toxic content«

5) SlashGear:
»Research Paper Says Twitter’s Algorithm ‚Amplifies‘ Anger And Hate«

6) The New Zealand Herald:
»How Facebook, Google algorithms feed on hate speech, rage«

7) nature.com:
»Angry by design: toxic communication and technical architectures«